Viel Zeit ist seit dem letzten Blogeintrag vergangen, aber wie ihr alle wisst, waren die letzten beiden Pandemiejahre nicht unbedingt erbaulich. Schon gar nicht in der IT oder gar im Hardware-Sektor. Genau das führt aber zu einer gewissen Problematik, die heute stärker denn je verbreitet ist: Jeder verdammte PC, der einen leuchtenden Lüfter hat, wird bei Onlinehändlern als Gaming-PC bezeichnet. Tatsächlich kann man da durchaus auch mal ein Schnäppchen machen, in vielen Fällen kauft man allerdings die Katze im Sack.
Wenn Komponenten nicht ihre Leistung bringen können
Unter dieser Überschrift mag vieles verstanden werden, konkret geht es mir hierbei aber um Gaming-PCs. Im Onlinehandel gibt es unendlich viele Angebote für Gaming-PCs, teilweise zu Preisen, die unverschämt günstig scheinen. Doch wie bei allem im Leben – klingt etwas zu gut, sollte man doch etwas genauer hinschaue. Und so verhält es sich auch mit diesen vermeintlich tollen Angeboten.
Wenn beispielsweise beim weltweit größten Online Händler „Gaming-PC“ eingetippt wird, kommen als Suchergebnis einige hübsche Bilder von PCs mit LED-Lüftern und Glasfronten in einem ziemlich „fancy“ Design. Dass der PC oft jedoch auch anders als abgebildet aussieht, ist dabei noch das geringste Problem, mir geht es da um die inneren Werte.
So wie bei diesem Angebot für einen Gaming-PC
Den PC mit den hier angeführten technischen Daten gibt’s bei besagtem Händler bereits unter € 900,-. Aber ist das Angebot wirklich so gut wie es scheint? Analysieren wir das System einmal.
Prozessor: AMD Ryzen 7 5700X, 16 Threads, 4.0 GHz Turbo (3600 MHz ohne Last, bis zu 4000 MHz mit Last durch die AMD Boost Technik)
Mainboard: Gigabyte B450M-H AMD Sockel AM4 (Anschlüsse siehe Bilder oben)
Arbeitsspeicher: 32 GB GDDR4 3000 RAM von G.Skill
SSD: 1000 GB M2, Windows und Programme sind auf der SSD installiert und starten blitzschnell
3D-Grafikkarte: NVIDIA Geforce RTX 3060 12GB DDR6, DirectX 12, 3x Displayport, 1xHDMI (Leistungswerte siehe Bilder)
Gehäuse: Gaming Midi Tower (H: 40cm x B: 17cm x T: 43cm), Seitenteile einzeln abnehmbar, Farbe schwarz
USB 3.0: ja, 6x, davon 2x Front USB 3.0, sowie 4x USB 2.0 hinten extra
Netzwerk: 10/100/1000 MBit/s Ethernet LAN, DSL fähig
Sound: integrierter OnBoard 5.1 Controller, HD Audio
Netzteil: 550 Watt 80+ Bronze 12cm Super Silent Netzteil
WLAN: ja, 150 MBIT, USB-Adapter, bereits fertig eingesteckt und installiert
Betriebssystem: Original Microsoft Windows 11 Professional 64 Bit
Bei dem Prozessor kann man nicht meckern, außer das nicht dabeisteht, wie er gekühlt wird.
Beim Mainboard schaut die Sache aber schon ganz anders aus: Hier kommt ein B450er Chipsatz zum Einsatz. Und auch, wenn das ein durchaus guter Chipsatz war, so ist er bereits über 4 Jahre alt, der aktuellste für AMD auf AM4 Sockel-Basis wie für den hier verwendeten Prozessor ist der B550 Chipsatz.
Auch ist beim B450er Chipsatz anzumerken, dass er nur PCIe 3.0 und nicht 4.0 unterstützt, dazu aber mehr bei der Grafikkarte.
Die SSD – leider ist der Begriff SSD (Solid State Disk) zu einem Begriff für hohe Leistung verkommen, was zwar in Relation zu einer herkömmlichen Festplatte (HDD – Hard Disk Drive) durchaus stimmen mag, nur leider gibt es da Feinheiten, die einen PC bis zu 100% Performance kosten können.
Hier wird zwar angegeben, dass es sich um eine 1TB SSD auf M.2-Basis handelt. Jedoch nicht, ob die Anschlussart auf M.2 SATA oder NVMe ist und auch nicht, welche Lese/Schreibrate die SSD hat. Diese kann durchaus stark variieren, so haben M.2 SATA SSDs in der Regel 550/500 Mbit/s, billige NVMe zwischen 1900/1500 Mbit/s, etwas bessere 3500/3000 Mbit/s und recht teure ab etwa 5000/5000 Mbit/s.
Preislich ist bei so einem Angebot eher davon auszugehen, dass wir uns im unteren Bereich bewegen. Auch wenn ich es nicht mit Sicherheit sagen kann, so gebietet das einfach der Preis.
Grafikkarten, ein endloses Thema unter Gamern und zuweilen schon als Religion zu bezeichnen, das würde aber den Rahmen dieses Blogs sprengen. Grundsätzlich kann man sich über eine RTX 3060 mit 12GB VRAM auch heute in keinster Weise beschweren, eine solide Gaming Karte für den Einstieg in die doch etwas gehobenere Gaming Klasse. Jedoch in diesem System fragwürdig. Die Karte unterstützt zwar PCIe 4.0, das Mainboard aber nicht. Das ist solange es um das Casual Gaming geht erstmal vollkommen egal, im Durchschnitt hat man da etwa 7 FPS weniger. Wenn es aber um aufwendigere Spiele geht, wo auch gerade viel passiert und permanent Daten ankommen, ist es einfach ein Unterschied, ob mir dafür nur 8GT/s (PCIe 3.0) oder 16GT/s (PCIe 4.0) zur Verfügung stehen. Etwas einfacher ausgedrückt: Das Mainboard erzeugt einen Flaschenhals und kann die Karte nicht mit ausreichender Bandbreite ansprechen.
Dann noch das Netzteil: Dieses wird hier zwar als 80+ zertifiziert angegeben, aber nur mit 550W und das ist doch arg wenig, außerdem wird kein Hersteller genannt, was an sich schon nicht sehr vertrauenserweckend ist. Hier sollte schon mindestens 700W 80+ drinstecken. Und zwar nicht, weil es die Grafikkarte unbedingt braucht, sondern einfach, um im Falle einer Aufrüstung genügend Puffer zu haben. Denn sollte die Grafikkarte durch was Stärkeres ersetzt werden, so kann dann auch gleich das Netzteil mit getauscht werden.
Fazit:
Wir haben hier also einen TOP Prozessor auf einem alten Mainboard mit einer SSD unbekannter Geschwindigkeit und einem als fragwürdig einzustufenden Netzteil. Immerhin würden wir eine sehr gute Grafikkarte bekommen, die wir aber nicht vollumfänglich nutzen können, da sie nicht mit ihrer vollen Bandbreite angesprochen werden kann.
Nun stellt sich hierbei die Frage, ob dafür wirklich Geld ausgegeben werden soll. Vor allem aber ist die Geschäftspraktik der Assembler für diese PCs sehr fragwürdig und zeigt auf, welche Missstände es im IT-Hardware-Sektor gibt. Denn es muss, wenn es veraltete, aber dennoch neue Ware ist, nicht deklariert sein, wie alt die Komponenten sind oder ob sie mit irgendwas modernerem kompatibel sind.
Mein Tipp: Wer einen Gaming-PC will, braucht Beratung!
Das Folgende mag jetzt für einen Hard- und Softwarehändler wie mich etwas eigennützig klingen, aber kauft nicht einfach irgendeinen PC im Onlinehandel nur weil er als Gaming-PC angepriesen wird oder weil irgendwann mal in irgendeiner PC-Zeitschrift, in einem Forumspost oder Online-Artikel stand, dass genau diese Grafikkarte sooooooo toll ist. Auch wenn es mühsam ist, geht zu einem IT-Fachgeschäft und lasst euch beraten, notfalls auch per Telefon oder E-Mail.
Sonst kann es auch passieren, dass ein vermeintlich gutes Angebot zu einer bösen Überraschung führt.